Samstag, 26. Januar 2013

zur streichung des n-wortes aus pippi langstrumpf


Wenn ich ein Kinderbuch schreibe, dann neige ich dazu, die Geschichte irgendwo in meiner Kindheit anzusiedeln, bevölkert, mit einem Personal, das in etwa existiert hat, an Orten, die ich kannte. In den Geschichten kamen bei den Kindern zuerst nie Handys vor, und auch keine Computerspiele. Irgendwann bemängelte eine Lektorin dies. Ich müsse mehr Gegenwartssignale setzen, damit die Geschichten im Hier und Jetzt spielten und nicht im Damals. Die Lektorin beharrte darauf, man kann sagen, man griff in den Urtext ein. Meine Helden hatten nun Handys, Gameboys, spielten Computerspiele und wurden mir, dem Autor somit, seltsam fremd.
Meine Bücher wurden schon im Entstehen auf modern getrimmt. Auch wurden ein paar Begriffe als Bavarismen enttarnt von denen ich es nicht geglaubt hätte. So bastelte ein Opa nicht im Schuppen sondern er bosselte. Ein Wort, das ich nicht kannte, hatte ich nun in einem Buch verwendet.
Bitte nicht falsch verstehen! Lektorenarbeit ist sehr wichtig, gerade heute im freien Fall der Qualität, den self-publisher und Blogger rasant vorantreiben. Ich finde schon: alles hat seine Zeit und vieles geht mit der Zeit. Dafür zahlt man einen gewissen Preis. Klassiker werden immer wieder neu übersetzt, der Jetztsprache angepasst, die Sprache selbst wird via Reformen der Zeit angepasst. Warum also nicht Bücher, die als Dauerbrenner durch die Zeit wandern?
Das größte Problem für Kinderbücher sind ohnehin die Erwachsenen und ihr Verklären der eigenen Kindheit. Ich habe sie nie gemocht, die Neueltern, die sich via Kind auf die quasi Wiederholung ihrer eigenen Kindheit freuten. Das Wiederbeleben ihrer Lieblingslektüre, die jetzt auch die eigenen Kinder toll finden mussten.  
Es gibt ein Buch von mir, das gerade vergriffen ist. Es heißt `Der kleine Hinz´. Auf die Idee zu dem Buch kam ich, als sich mein Sohn zum selbstständigen Toilettengänger gemausert hatte und der Tag vom `PipiKacki-Thema´ bestimmt war.
Und darum geht es auf amüsante Weise auch in dem Buch. Wenn ich daraus in Schulen vor Kindern lese, amüsieren sich diese köstlich. Lachen lauthals, sodass ich hin und wieder die Lesung kurzzeitig unterbrechen muss.
Manchmal sind Eltern bei der Lesung dabei, meist Mütter. Nach der Lesung, lausche ich dann ihren Gesprächen die eigentlich nicht für meine Ohren bestimmt sind und die sich dann nicht selten so anhören: „Also, das soll ein modernes Kinderbuch sein. Na, da lob ich mir meinen Ottfried Preußler.“
Das ist die eigentliche Zensur für Kinder. Spießige Eltern.  
Die Sicht in Pippi Langstrumpf auf das Inselvolk ist nach meiner Erkenntnis und nach der Sprachregelung, wie man sie mir heute als korrekt vermittelt, rassistisch. Romantische Verklärung hin oder her. Das Buch stammt aus einer Zeit, in der das Denken rassistischer war, ohne es böse gemeint zu haben. Somit ist aber auch der Inhalt einiger Bücher aus heutiger Sicht rassistisch. Darüber hinaus empfinde ich Pippi Langstrumpf ohnehin als antiquiert. Was soll dieses Romantisieren einer frechen sympathisch anarchischen Göre, die Spießerwerte und Scheinideale seit Jahrzehnten entlarvt, wenn heutige Mädchenzimmer mehr denn je im pinken Lillifeepuder ersaufen.
Erfüllt Pippi Langstrumpf überhaupt ihren Dienst?
N-Wort hin oder her würde daran nichts ändern. Der Text würde ohne N-Wort zwar verlieren, das stimmt schon, aber er verliert auch, wenn man grundsätzlich die Sicht auf das Inselvolk revidiert, was nötig ist. Denn der Subtext ist es, der nach heutigen Kriterien verkehrt ist. Diese Inselmenschen leben längst unter uns.
Hätte die dunkelhäutige Bevölkerungsschicht eine Lobby und Interessensvertretung wie andere von Diskriminierung bedrohte Minderheiten, derlei Bücher wären längst auf der Liste der zehn rassistischsten Texte weltweit.
Als viel schlimmer als das N-Wort empfinde ich allerdings nicht alle aber viele alten Illustrationen. Das ästhetische Empfinden hat sich gewandelt. Bitte kein sentimentales Festhalten an Altem. Bitte mehr Gegenwartssignale bei den Illustrationen!
Und hört mehr die Betroffenen selber, wie etwa hier.