Samstag, 14. Juli 2012

als ich einmal die weltliteratur beeinflusst habe

Ich wohnte in einer Vorstadt. Der Ort hatte immer schon und hat auch heute noch eine gut sortierteBuchhandlung mit einer engagierten Buchhändlerin, die in der Autorenschaft einen guten Ruf genießt.
So kam es, dass Andrej Kurkow, ein ukrainischer Autor, der in England lebt und mehrsprachig durchs Leben geht, in der Buchhandlung zu einer Lesung aus `Picknick auf dem Eis´ angekündigt war. Ich hatte sein Buch gerade mit großem Vergnügen gelesen, da wollte ich mir den Autor in meinem Heimatort nicht entgehen lassen.
Die Buchhandlung war ebenso gut bestuhlt wie besucht, die Menschen, die sich diesen für eine provinzielle Location echten Hochkaräter nicht entgehen lassen wollten, waren meist älter, einige ergraute ältere Damen waren darunter, die mit Handtaschen auf dem Schoss der Dinge harrten, bzw. des Ukrainers. Der kam dann bald, ein netter Mann mit guten deutschen Sprachkenntnissen. Er plauderte, er las. Die Handlung des Buches, eine Art Thriller, lass ich hier außen vor. Wichtig nur: der Protagonist lebt mit einem Pinguin in einer Wohnung. Was das alles für Erlebnisse mit sich bringt, das beschreibt der Autor sehr anschaulich und amüsant. Nur – was mir aufstieß, bzw. im Halse stecken blieb: wenn der Pinguin Hunger hat, holt ihm sein Herrchen einen kompletten tief gefrorenen Fisch aus dem Gefrierfach, legt ihn in den Futternapf, aus dem ihn der Pinguin augenblicklich als Ganzes verschlingt. Ich konnte mir das nicht vorstellen. Pinguine sind weiche, glatte, geschmeidige Wesen. Fische, die sie zu sich nehmen, sind Jagdbeute, somit lebend, beim Verschlingen passen sie sich den Bedingungen der Speiseröhre an. Das muss Flutschen.
Als die Lesung endete und das Autorengespräch sehr schleppend nur vorankam und der Autor, weil Ukrainer, erst einmal zu seiner Meinung in Sachen Tschernobyl und Tschetschenien genötigt wurde, machte ich den Meister auf meine Zweifel aufmerksam. Ich könne mir nicht vorstellen, dass ein Pinguin einen tief gefrorenen Fisch als Ganzes einfach so verschlingt. Den müsse man doch irgendwie auftauen.
Der Autor mochte meine Frage nicht, das merkte man. Er druckste ein bisschen herum, meinte schließlich, er hätte die Sache mit einem Biologen schon abgeklärt. Das sei gut recherchiert. Ich hakte nicht nach, bin ja selber kein Biologe und Pinguinkenner bin ich auch nicht.
Ein- zwei Jahre später las ich den Nachfolgeband `Pinguine frieren nicht´. Die Handlung tut hier wieder nicht zur Sache, nur soviel: dem Protagonisten ist der Pinguin entführt worden, auf der Suche nach dem Tier verschlägt es ihn in die Kriegswirren nach Tschetschenien. Er findet den Pinguin. Die Freude ist groß, der Hunger des Pinguins auch.
Wieder gemeinsam in der Wohnung holt das Herrchen auch bald einen tief gefrorenen Fisch aus dem Gefrierfach und - ACHTUNG!!!!!!!! – legt ihn ins Spülbecken, lässt eine Weile heißes Wasser drüber laufen und übergibt den Fisch erst dann dem Pinguin.
Tja, so geht das mit der Literatur.
(Wissenswertes über Pinguine gibt es hier.)