Freitag, 18. November 2011

wie man in handylosen zeiten model wurde

Ich war auf einem Segeltörn auf Mallorca, als ich in einer Bucht telefonieren musste. Ich ging in eine Telefonzelle. Es war ein vornehmer Villenort in der Nähe des Hafens, kein Mensch auf der Straße. Ich stand in der Telefonzelle und telefonierte. Da näherte sich eine Gestalt und begann außen an die Tür der Telefonzelle zu klopfen. Ich sprach derweil in den Hörer und gab dem ungeduldigen mit Zeichensprache zu verstehen, dass es noch ein klein wenig dauern würde. Der Mann klopfte weiter und öffnete die Tür. Ich sagte: "Momento porfavor!" Ich hielt mein Gesprochenes für spanisch und zog die Tür wieder zu. Der Mann aber blieb hartnäckig und öffnete wieder. "Eine Frage!", drang es da auf deutsch in die Zelle. "Ja?", gewährte ich ihm. "Wir brauchen dringend ein Fotomodel!", sagte er dann zu meinem Unverständnis. Ich beendete mein Telefonat und ließ mir von dem Deutschen erklären.
Sie seien gerade mitten in einer Fotoproduktion, Gartenmöbel für den Otto-Katalog, auf der Insel gäbe es im Augenblick keine männlichen Models, das weibliche Model wäre nun eingetroffen und sie wünschten sich aber ein Paar. Ob ich denn nicht für ein Foto modeln wollte? Vom Typ her würde es sehr gut passen. Ich brauchte eine Zeit, um zu begreifen. Da es die Zeit nicht gab, musste ich schnell entscheiden. Und so wurde ich Model für einen Tag auf Mallorca. Mir wurden 300,--Deutschmark in Aussicht gestellt. Ich ging mit dem fremden Mann mit, obwohl man das ja nicht darf. Wir kamen auf das Areal einer Finca, wir kamen auf die Terrasse. Mir wurde das Fototeam vorgestellt und mir wurde Carolynne vorgestellt, das weibliche Model...Die Möbel waren in einem zarten rosa gehalten. Da für die Aufnahmen alles passen sollte, wurde ich gefragt, ob ich denn ein pink Hemd dabei hätte. Ich erklärte, dass ich auf Segeltörns nie pink Hemden mitnehmen würde und nein, ich würde auch gar keines besitzen. Carolynne zwinkerte mit ihren großen Augen und machte sich an einer großen Tasche zu schaffen, die sie dabei hatte. Dort fischte sie ein pinkfarbenes Hemd heraus, das mir zu meiner Überraschung passte und da ich auch keine schöne Hose hatte, wurde auch die mir von Carolynne gestellt. Damals trugen die Damen stets übergroße Hosen, so kam es, dass mir die ihre nun passte. Auch, dass meine Taille damals noch nicht mit dem unangenehmen Genussnebenprodukt Hüftan ausgestattet war, begünstigte diesen Umstand. Dann konnte es losgehen, locker natürlich sollte das Foto werden. Wir sollten uns doch bitte locker unterhalten.
So erfuhr ich, dass Carolynne Engländerin war, die auf Mallorca lebte. Sie war mit einem Deutschen verheiratet, was ich bedauerte, denn Carolynne war schön und ich hätte sie auch gerne geheiratet, um mit ihr ein schönes Inselleben zu führen. Zum gemeinsamen Inselleben kam es nicht. Aber ich sagte, dass auch ich Fotograf wäre und da bekam sie große Modelohren und Modelaugen, kramte erneut in der Tasche und händigte mir ihre Setcard aus (s.oben) Nach dem shooting wurde mir als Erinnerung ein Polaroid in die Hand gedrückt (s.oben). Den Katalog hatte ich später einmal geblättert und tatsächlich, das Foto war gedruckt worden. Da ich glaubte nun auch am Beginn einer Modelkarriere zu stehen, ließ ich ein paar Bewerbungsfotos anfertigen, mit denen ich bei Gerhard Richter vorstellig werden wollte. Denn die Kunst hatte mich immer schon interessiert. Die Kunst aber brauchte keine Models und auch der Ottokatalog hatte nie wieder angefragt. So blieb es eine kleine Episode in meinem Leben.