Ich bin ein großer Filmfreund und ich bin eigentlich immer gnädig mit den Filmen. Doch, das bin ich. Wenn ich mit Freunden gemeinsam aus dem Kino komme und die meisten voll der Kritik und Empörung sind, dann sage ich meistens: „Wieso, das war halt die Sichtweise des Filmers, man muss sich darauf einlassen.“ Deswegen gehe ich ins Kino. Um mich auf die Sicht- und Erzählweise anderer einzulassen. Ich mag das. Ganz selten nur, da macht mir der Film es sehr schwer.
Ich schaue mir lieber die kleinen Filme an, denen es gelingt mit wenig Mitteln viel zu sagen. Ich falle eigentlich selten auf groß beworbene Filme herein. Aber in diesem Fall hat mich der Trailer mit irgendwas überzeugt. Im Nachhinein glaube ich, es war das Motorrad, auf dem die Protagonisten kurz durchs Bild fahren, eine alte Triumph, ich vermute mal, eine Bonneville. Das schönste Motorrad überhaupt. Bei diesem Anblick geht mir das Herz auf. Englisches Motorraddesign in höchster Form. Nun also: Ich gehe mit Feunden in `Der seltsame Fall des Benjamin Button.´ Ich bin früh dran und stehe in der Schlange für die reservierten Karten. Als ich an der Reihe bin, sage ich, dass ich die Karten auf die Nummer 143 abholen möchte. „Fünfmal Benjamin Blümchen!!!!!!!“, plärrt es mir durch das perforierte Plexiglas entgegen, in einer Lautstärke, dass mein Gehör 50 plus einen knisternden Tanz mit den Frequenzen aufführt. Ich schmunzle zurückhaltend, als mich die Stimme mit gleicher Botschaft wieder in den Ohrenschmerz hüllt, damit auch der letzte in der wartenden Reihe mitbekommt, dass hier jemand im Glaskasten sitzt, der es mit dem Humor der witzigsten Drehbuchschreiber aufnehmen kann.
Ein innerer Impuls ist es, der meinem Arm ein Eigenleben verpasst. Ich sehe zu, wie sich meine Hand in Richtung Sprechglas bewegt, sich in eine Vielzahl von Strängen auflöst und durch die Perforation greift. Mit der neuen Computeranimation geht so was heutzutage im Kino ganz einfach, das gehört zum Standard. Ich packe den Komiker am Schlafittchen und ziehe ihn zu mir ran. Seine Wangen drücken sich in kleinen Noppen durch die Perforation. „Das machst du jetzt nicht noch einmal.“, zische ich.
Wenig später hab ich Platz genommen, lass viele Trailer an mir vorüberziehen bis endlich der Film beginnt. Nach wenigen Minuten wird mir klar, dass ich in einem Exemplar Film sitze, dessen Handlung durch eine Erzählstimme immer wieder vorangetrieben wird, bzw. sollte. Ich mag so was nicht und schon gar nicht, wenn die Stimme in einem schleppenden Ton gehalten ist, mit einer zur Schau gestellten Ernsthaftigkeit .
Wozu die Stimme? Nun, um eine banale Lebensweisheit an die andere zu reihen, mit dem Bestreben, so wenig wie möglich Inhalt in die Sätze zu legen, weil es ja noch die Bilder gibt, die auch nichts erzählen dürfen. Aber zeigen dürfen sie. Wir sehen einen Hauptdarsteller der für den Oscar nominiert ist, für sein Geschick 180 Minuten mit immer dem gleichen leeren Gesichtsausdruck hinter sich zu bringen, wobei ihm die Maske sehr zustatten kommt, die ihm über die Hälfte des Films einen Eimer Papiermaché ins Gesicht gekleistert hat. Was die Maske an Unkenntlichmachung nicht geschafft hat, gelingt heutzutage freilich der Computeranimation. Statur, Gang, Habitus, nichts erinnert mehr an Brad Pitt. Die Geschichte nimmt ihren Lauf, banale Lebensweisheit reiht sich an banale Lebensweisheit, Bilder, denen man nicht vertraut, werden ohne Pardon mit der Erzählstimme unterlegt, damit man versteht, dass es im Leben Menschen gibt, die Taxifahrer werden, manche zum Ballett möchten, andere Pförtner werden oder Knopffabriken, oder aber auch Synchronsprecherin, der man von der Maske übrig gebliebenes Papiermaché in den Mund gestopft hat, damit sich irgendetwas an der Stimme anhört, als gehöre sie zu einer alten Frau. Ich weiß nicht wie, aber ich schaffe die 3 Stunden eines Filmes, der mit ach so viel Aufwand versucht mein Herz zu erwärmen, mich dabei kalt lässt wie selten etwas. Selbst die Triumph Bonneville, diese Öl- und Benzin atmende Stilikone der Zweiradtechnik wirkt trostlos computeranimiert.
Als ich aus dem Kino gehe, ist der Mann im Glaskasten nicht mehr da. Schade eigentlich, ich wollte mich bei ihm entschuldigen. Er hatte ja so Recht.