Mittwoch, 1. Oktober 2008

aus dem leben eines kinder- und jugendbuchautors

Letztens wurde ich zu einer Lesung in die Provinz geladen. Anders als sonst, wenn ich aus einem Jugendbuch lese und quasi zur Unterrichtszeit zwangsverpflichtete Schüler antreffe, sollten sich die Jugendlichen nun Freitag nachmittag in einer Buchhandlung einfinden, um einem Text von mir zu lauschen.
Ich bereitete mich vor, zwei Kapitel aus einem spannenden Jugendbuch sollten es sein. Ich suchte die Passagen aus, die ich zum Besten geben wollte und packte einen Stapel Autogrammkarten ein, die eigentlich immer ein begehrtes Objekt sind. Dann brach ich auf zu einer eineinhalbstündigen Zugfahrt. Das Wetter war nach einer längeren Wolkenperiode wieder einmal schön. In der Buchhandlung angekommen bekam ich einen guten Kaffee, sah mir die Bestuhlung an, den Leseort und wartete auf das Publikum. Als es langsam Zeit für ein paar jugendliche Gesichter wurde kam ein besorgter Buchhändler mit Blick auf die Armbanduhr zu mir und sagte: „Tja! Wollen wir mal hoffen. Wir haben wirklich gut geworben an Schulen und haben auch Plakate gehängt.“ Wir hofften, doch der Altersdurchschnitt in der Buchhandlung wollte sich nicht senken. Zu schön endlich wieder das Wetter da draußen. Zwanzig Minuten schon war die Jugend nun überfällig, da hatte der Buchhändler eine Idee. „Sie schreiben doch auch für die Kleinen!“, sagte er plötzlich mit leuchtenden Augen. „Ja“, antwortete ich. „So Erstlesesachen.“
„Wissen Sie, meine Frau hat gerade die Kindergruppe zuhause. Ich rufe mal an, dass sie sich auf den Weg machen sollen. Das wäre doch nicht schlecht, oder? Dann lesen Sie den Kleinen was vor.“ Der nette und engagierte Buchhändler verschwand zum Telefonat, von dem er gleich darauf zurückkehrte, den Daumen siegessicher nach oben gereckt. Eine halbe Stunde nach offiziellem Lesungsbeginn tauchte eine freundliche, gut gelaunte Mutter mit vier Mädchen in der Buchhandlung auf. Während eines der Mädchen, deutlich älter als die anderen, gleich in Richtung Manga-Abteilung ausscherte, mussten die übrigen drei Achtjährigen mein Publikum sein. Sie machten es sich auf der großen Matte bequem, die den Stuhlreihen vorgelagert war, und als ich aus einem meiner erfreulicherweise in der Buchhandlung vorrätigen Erstlesebücher zu lesen begann, legte sich eines der Mädchen zurück und wollte wohl einschlafen. Aber die raue Sprache meiner Piraten ließ sie gleich wieder hochschrecken. Ich las, die Kinder lauschten und als ich endete, lenkte ich ihre Aufmerksamkeit auf mein begehrtes Mitbringsel. „Wollt ihr Autogrammkarten?“, fragte ich. Ein Drittel meines Publikums verschränkte da die Arme vor der Brust und schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, ich will keine!“, hörte ich die deutlichen Worte. Das andere Drittel begann verlegen mit dem Oberkörper zu schaukeln und verdrehte eine zeitlang himmelwärts die Augen. „Hmm!“, machte es. „Ich weiß noch nicht. Ich überleg mir das noch.“ Das letzte Drittel hatte dagegen wieder eine klare Meinung. „Ja, ich will eine.“ „Okay!“, sagte da das zweite Drittel. „Dann nehme ich auch eine!“ Da verdrehte nun das Drittel, das gerade noch entschieden verweigert hatte, die Augen. „Na gut!“, stöhnte es. „Dann nehme ich halt auch eine!“ Schließlich ließ auch ich mir von meinem Publikum eine meiner Karten signieren, packte zusammen und bestieg wieder den Zug, in dem ich dann doch noch einen Teil der süddeutschen Jugend antraf, sich gut gelaunt `vorglühend´ auf dem Weg zum Oktoberfest.